Der Ninja, der ein Held wurde

In einem fernen Königreich, in dem Ehre und Stärke über allem standen, wurde der königliche Hof immer wieder von rätselhaften Diebstählen heimgesucht. Selbst der König blieb nicht verschont: Mal verschwanden Säcke Reis oder Waffen, mal heilige Artefakte – die Monate später plötzlich wieder auftauchten. Niemand konnte den Dieb fassen. Doch eines Tages verschwand das legendäre Schwert des Königs, ein heiliges Samuraischwert. Zornig befahl der König eine landesweite Suche. Einige Tage später erschien ein geheimnisvoller junger Mann, ganz in Schwarz gehüllt, am Palasttor. Er verbeugte sich tief und sagte: „Majestät, ich bin der Dieb. Oder besser gesagt… ein Ninja. Und dieses Schwert gehört Euch.“ Der König starrte ihn an. „Warum bringst du es jetzt zurück?“ Der Ninja antwortete: „Ich habe mein ganzes Leben im Schatten trainiert – in Schnelligkeit und Unsichtbarkeit. Aber ich habe meine Gaben missbraucht. Jetzt will ich sie für das Gute einsetzen.“ Obwohl der König noch immer wütend war, ließ er den Ninja in den Kerker werfen, um ihm Zeit zum Nachdenken zu geben.

Monate später wurde das Königreich von einem mächtigen Kriegsherrn mit einer riesigen Armee belagert. Der König hatte keine Chance, dieses Heer zu besiegen. Zwar waren die Mauern stark, doch die Vorräte gingen zur Neige und die Hoffnung schwand. „Wer hat einen Plan, um das Königreich zu retten?“, rief der König. Aus seiner Zelle schickte der Ninja eine Nachricht: „Lasst mich frei. Vertraut mir – ich habe einen Plan.“

Aus purer Verzweiflung stimmte der König zu. In dieser Nacht verschwand der Ninja in der Dunkelheit. Bei Sonnenaufgang kehrte er zurück – mit einem weißen Pferd. „Wem gehört dieses Pferd?“, fragte der König. „Es ist das Pferd des Kriegsherrn“, sagte der Ninja. „Stellt es vor das Tor.“
Als die Soldaten des Kriegsherrn ihr Pferd sahen, gerieten sie in Panik. Sie brachten es zu ihrem Herrn zurück, der vor Zorn die Wachen verdoppelte. In der zweiten Nacht stahl der Ninja das Schwert des Kriegsherrn. Lichternen Gesichts gaben die Soldaten es zurück. Der Kriegsherr ließ doppelte Wachen aufstellen, mit Stacheldraht und Kanonen um das Lager. 

Doch in der dritten Nacht kam der Ninja zurück – mit dem goldenen Zeremonienhalsband, das der Kriegsherr um seinen Hals getragen hatte. Als der Kriegsherr es von seinen verängstigten Soldaten erhielt, erbleichte er. „Packt alles! Wir ziehen uns zurück. Wenn ein ganzes Heer mich nicht schützen kann, kostet mich die nächste Nacht vielleicht das Leben. Unser Feind verfügt über unbesiegbare Schatten.“

Das Volk jubelte. Der König sagte zum Ninja: „Deine Fähigkeiten, die einst gefürchtet wurden, haben uns gerettet. Du bist kein Dieb mehr. Du bist mein Schatten. Mein Beschützer. Mein Held.“ Von diesem Tag an war der Ninja nicht mehr für das bekannt, was er nahm, sondern für das, was er beschützte. Er gründete ein Dojo und lehrte die nächste Generation: Wahre Kampfkunst bedeutet, seine Talente auf die richtige Weise einzusetzen.

Denkanstoß
Jedes Talent, jede Fähigkeit – so klein sie auch erscheinen mag – kann von großem Wert sein, wenn sie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und für den richtigen Zweck eingesetzt wird. Manchmal muss man danach suchen, manchmal entdeckt man sie erst in sich selbst. Jeder Mensch hat einzigartige Gaben – und das ist gut so. Denn stell dir vor, wir wären alle gleich … wer würde dann den Unterschied machen?